Leica Nerdkram

Leica M3 und M4
Leica M3 und M4

„Ich lese auf deinem Blog ja besonders gerne den Nerdkram, auch wenn ich davon schon nicht mal die Hälfte verstehe.“ „Nerdkram?“ „Ja, Objektive, Kameras, etc.“

Ich weiß immer noch nicht, wo da jetzt der Nerdkram ist, aber die Sichtweisen zwischen mir und diesem Leser sind wohl einfach unterschiedlich. Meinen inneren „Strike“ rief ich, als ich genau jenem oben beschriebenen Kommentator eine Kamera-Objektivkombination für seine Verwendung vorschlagen konnte, mit der er dann auch schnell glücklich und zufrieden wurde. (Und ja: es war eine Fuji.)

Also: es ist wohl mal wieder Zeit für ein wenig Nerdkram. In der Zwischenzeit habe ich mich nämlich tiefer in meine analogen Themen reingearbeitet. Und nach 9 Monaten voller Lust und Frust, habe ich mein Paket nun relativ gut geschnürt. Aus den eben genannten Gründen würde ich auch nicht von Nerdkram sprechen. Ich finde die Bezeichnung „Fetisch“ zielführender. (Ursprünglich wollte ich jetzt hier noch einen Satz mit „ruined orgasm“ konstruieren, aber lies einfach in Ruhe weiter.)

Der letzte Baustein zu meinem Glück war der Tausch meiner M6 mit einer M3. Die Leica M6 ist vermutlich eine der beliebtesten Leica Modelle, weil sie die erste im alten Design mit Belichtungsmesser war. Daher war es vor 9 Monaten auch nur logisch, dass ich mit diesem Modell meine analoge Reise begann. Schnell merkte ich, dass mich zum einen analog zu fotografieren wieder reizte und zum anderen, dass die M6 mich nervte. Vor allem wegen genau diesem Belichtungsmesser, dessen LED Leuchtanzeige mir einfach zu penetrant ins Auge strahlte. Dazu dann immer dieses „Nichtweiterspulen“, um die Batterie des Belichtungsmessers zu schonen – und genau das erst wieder ins Gedächtnis zu rufen, wenn der Auslöser bei nächster Gelegenheit am idealen Auslösepunkt nicht reagierte. (Übrigens noch ein Profi-Tipp bei längerer Lagerung einer Leica M6: das Zeitwahlrad auf B stellen, da ist der Belichtungsmesser nicht an.)

Dazu spiegelte dann auch noch der Messsucher der M6 gerne, wenn das Licht leicht schräg von oben kommt. Die Leica M3 hat hingegen den unglaublichen Vorteil einer 0,91fachen Suchervergrößerung, die das manuelle Fokussieren ernorm vereinfacht, allerdings auch nur Brennweiten ab 50mm ermöglicht. Daher gab es diese Suchervergrößerung nur bei dem ersten Messsuchermodell von Leica. Für mich als alten 50er Liebhaber aber genau das richtige. Ich hatte mich sehr schnell in dieses Modell verliebt, als ich sie bei einem Freund mal kurz in der Hand hatte. Und erst dieses Auslösegeräusch… Der pure Sex. Ehrlich.

Fotografiert mit Leica M3 und Zeiss Sonnar 50mm
Fotografiert mit Leica M3 und Zeiss Sonnar 50mm

Es ist allerdings gar nicht so leicht, eine gut erhaltene Leica M3 zu bekommen. Sie wurde zwischen 1954 und 1967 gebaut, aber nach einigen Kinderkrankheiten und Verbesserungen sind eigentlich erst die M3 Gehäuse ab der Seriennummer 915251 ohne Kompromisse zu gebrauchen. Da ich mir die 6 stellige Nummer nicht merken konnte, habe ich einfach nach einer M3 mit einer Seriennummer größer eine Million gesucht und wurde lange nicht fündig.

In dieser Suchphase lief mir eine laut Internet-Händler „gut erhaltene“ Leica M4 über’n Weg. Die M4 unterscheidet sich von der M3 am Offensichtlichsten in der geringeren Messsuchervergrößerung, die auch die Verwendung von Weitwinkelobjektiven bis 28mm ermöglicht und die erstmalige Verwendung von Plastik, die die M4 rund 40 Gramm leichter als die M3 macht. (Rund 570g zu 610g – die digitale M wiegt 100g mehr als die M3, eine Nikon D4 rund doppelt so viel wie eine digitale M)

Äußerlich sah sie wirklich gut aus, innerlich war sie eine Katastrophe. Das merkte ich schnell, ohne zu wissen, was falsch lief: außer den Belichtungszeiten. Dieser Fehler war sehr offensichtlich. Ich merkte aber auch sehr schnell, dass mir das Fotografieren mit einer M4 deutlich mehr Spaß macht, als mit einer M6. Deswegen habe ich sie behalten und den Mangel der geringeren Suchervergrößerung im Vergleich zur M3 mit einer 1,25-fach Lupe ausgeglichen. Ich fotografiere einfach zu gerne mit 50mm Objektiven. Um eine wirklich gut erhaltene M4 zu haben, schickte ich sie zu Leica. Das war teuer, aber gut. Sehr gut. Und sehr teuer. Das ist eben der Vorteil von Leica: meine M4 ist von 1968 und konnte wieder in sehr guten Zustand versetzt werden. Es ist eben alles Mechanik und im Zweifelsfall werden eben Zahnräder ausgetauscht oder gefettet. Mit der nicht vorhandenen Belichtungsmessung kam ich sehr gut zurecht. Der Belichtungsumfang von Film ist glücklicherweise auch größer als von digitalen Sensoren.

Nun hatte ich also eine M6 und eine M4. Ich hätte also unterschiedliche Optiken oder unterschiedliche Filme leicht gleichzeitig nutzen können. Allerdings hatte ich keine Lust mit dem Noctilux an einer analogen Kamera rumzurennen. So geil das Nocti auch ist, als Immerdabeilinse ist sie mir nun doch zu schwer. Und so geil das Nocti auch ist, die notwendige Fokussiergenauigkeit ist im analogen Arbeitsumfeld nichts für einen Anfänger wie mich. Ich fand eine adäquate Linse im Zeiss C Sonnar T* 1,5/50 ZM. Die Optik passt optimal zu analogen Kameras, weil die Linsen-Rechnung aus den 1930er stammt. Schöne Schärfe, schönes Bokeh ohne völlig durchzudrehen. Ich habe sie schnell lieben und schätzen gelernt. Hier ein paar Beispiele.

Jetzt hatte eine M4 mit Sucherlupe und schickem 50er, sowie eine M6 mit Weitwinkel. Ach ja, Weitwinkel. Ich hatte ja nur das Elmarit-M 28mm als kleines, leichtes Weitwinkel. Eine tolle Linse, aber die Offenblende von 2.8 passte irgendwie nicht zu den 1.5 der Normalbrennweite. Außerdem sind 28mm nicht meine Brennweite. Sonst mache ich ja viel mit dem 24er Lux und für das Elmarit musste ich immer irgendwie zu viel umdenken. Ich stand entweder zu weit weg oder war zu nah dran. Mit dem 24er Lux rumzurennen, war mir auch zu unhandlich. Der Sucher der M6 hat ja auch nur 28mm Brennweite im Blick. Also habe ich mich lange mit 35mm Brennweiten beschäftigt und den Gebrauchtmarkt intensiv beobachtet. Das 35er Summicron erschien mir als sehr guter Kompromiss zwischen Größe, Preis und Gewicht, als mir kürzlich völlig überraschend ein 35er Summilux übern Weg lief. Aber nicht das super scharfe, schwere Neue, sondern das erste 35mm f/1.4, das Leica jemals baute. Das tauschte ich völlig überstürzt gegen das 28er Elmarit. Es ist bis heute das kleinste 35mm f/1.4 für Vollformat und die Baugröße faszinierte mich. Ich habe es gleich bei der Millerntor-Gallery an meiner digitalen M ausprobiert und kann sagen, dass die Linse ein Flaremonster ist. Und dazu neigt, helle Flächen zu überstrahlen. Leica Enthusiasten nennen das „Leica-Glow“, weil jeder Fehler einer teuren Linse etwas besonderes sein muss. Ich finde die Abbildungsqualität im digitalen interessant, aber analog wird es mich vermutlich bald nerven. Ich würde ihr ja eine Chance geben, aber ungeliebte Linse an ungeliebtem Body? Das konnte nichts werden. Also zog ich mit dem 50er an der M4 los und lies 35er und M6 zu Hause.

Plötzlich klingelte mein Google Alert und signalisierte mir eine M3 für einen ordentlichen Kurs in ordentlichem Zustand bei meinem Lieblingshändler. Ich wollte erst gar nicht hinfahren, weil ich ja schon meine Kameras und Optiken hatte. Die Neugier zog mich trotzdem hin. Ich hatte den Laden noch gar nicht richtig betreten, da wurde ich schon mit „Hallo Herr Groenveld. Die M3, nicht wahr?“ begrüßt. Flugs drückte mir der sehr nette und hilfsbereite Händler die Kamera in die Hand. „Mal ausprobieren? Über’s Wochenende?“ Ich stammelte noch, dass ich keine Zeit hätte, aber da war sie schon in meiner Tasche. „Kommen sie einfach nächste Woche, wenn’s passt, vorbei und sagen, wie es war.“

Tja, geil war’s. Die erste Leica, die mich sofort und ohne Wenn und Aber überzeugte. Wahnsinnsteil. 5 Jahre älter als ich. Und dieses Auslösegeräusch. Hammer.

 

So tauschte ich dann M6 gegen M3 und bin nun echt glücklich. Leica M3 mit Sonnar 50mm und Leica M4 mit Summilux 35mm. Klingt nach einer schicken Kombi.

Und was war an dem Text nun Nerdkram?

 

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