Leica SL3 Leica SL3

Meine Erfahrungen mit der Leica SL3

Die ersten 10000 Auslösungen mit meiner neuen Leica SL3 sind locker im Kasten. Daher erlaube ich mir meine Erfahrungen mit dem aktuellen Top Modell aus dem Hause Leica zu notieren. Die Leica SL3 bringt nun auch bei komplexeren Aufgaben an den Autofokus gute Ergebnisse, aber es gibt auch Schwachstellen. Auf beides werde ich hier eingehen. Ich nutze die Leica SL3 für Sport, Event und Portraits. Für meinen Spaß und hier zum Testen haben ich auch Tiere – hauptsächlich Vögel – fotografiert. Nur einen größeren Blitzjob hatte ich noch nicht und kann deswegen nichts zu den Auswirkungen der neuen leicht verlängerten Blitzsynchronisationszeit von 1/200s sagen. Nur so viel: der Blitzschuh scheint sehr empfindlich auf feine Erschütterungen zu sein und stellt relativ schnell den Dienst ein.

Transparenz

Klarheit

tl;dr

Der Body

Die Leica SL3 ist eine konsequente Weiterentwicklung der Leica SL2. Diese habe ich fast viereinhalb Jahre intensiv genutzt. Ich kann also beide Kameras gut miteinander vergleichen. Obwohl die Änderungen am Gehäuse der SL3 minimaler Natur und mit blossem Auge kaum zu erkennen sind, selbst wenn beide Kameras nebeneinander stehen, fühlt sie sich einfach noch besser in meinen Händen an. Das liegt vor allem am etwas volumigeren Griff. Dieser bringt mir die zwei Millimeter, die meine Finger nun vor dem Body und damit vor den beiden Tasten zwischen Objektiv und Griff enden. Das ist für mich eine willkommene Änderungen, aber Menschen mit kleineren Händen finden das eventuell kontraproduktiv.

Leica SL3 in meinen Händen
Leica SL3 im Einsatz

Wenn du dich für diese Kamera interessierst – wovon ich ausgehe, wenn du diesen Beitrag hier liest – dann empfehle ich, die Leica SL3 einfach mal anzufassen. Aber Achtung: als ich 2019 die SL2 in die Hand nahm, habe ich sie sofort gekauft, obwohl ich damals gar keine neue Kamera kaufen wollte. Zum einen, weil sich die Kamera so gut anfasst und zum anderen, weil diese Kamera einfach für Fotograf:innen gemacht ist. Dazu später mehr…

Die Leica SL3 ist grob achtzig Gramm leichter geworden. Das entspricht zehn Prozent Gewichtsersparnis. Ein Leichtgewicht ist sie mit nicht ganz achthundert Gramm damit immer noch nicht. Sie liegt aber einfach toll und ausgewogen in der Hand – gerade mit etwas schwereren Objektiven. Und davon gibt es bei Leica einige. 

Es gibt noch viele weitere Neuerungen, von denen ich zunächst nicht wusste, ob diese tatsächlich gelungene Änderungen sind. Ich muss aber gestehen, dass ich selten so schnell überzeugt wurde. Leica hat eben ein gutes Team, um Benutzerführungen übersichtlich zu gestalten. So ist aus einem An- & Ausschalter ein beleuchteter Multifunktionsknopf geworden. Der kann die Kamera nicht nur sehr schnell ein- und etwas langsamer ausschalten, er zeigt mir auch an, dass es eine Warnmeldung im Sucher zu sehen gäbe, wenn ich denn bei deaktiviertem Display mal durch den EVF durchschauen würde. Dann leuchtet der Knopf nämlich rot. So einfach, so durchdacht. Optimal wäre es allerdings, wenn der Knopf bei einer aktiven WLAN Verbindung z.B. in blau leuchten würde. Eine aktive WLAN Verbindung ist nämlich, anders als beim Vorgängermodell, nicht mehr zu erkennen, saugt aber den Akku in Rekordzeit leer.

Funktionen

Mit dem Menü ist Leica ein Husarenstück gelungen. Ich kann nun nämlich über den Touchscreen sehr schnell mit einem Fingerwisch navigieren oder ich wechsle die unterschiedlichen Menüseiten wie bisher, durch Drücken des Menü Knopfes. Also für Langzeitnutzer wie mich wurde die Struktur nicht zerstört und die neuen Nutzer:innen können sich gleich schnelleres Navigieren angewöhnen. Wer gerne über das Display fotografiert, muss schon nicht mal in das Menü, um gängige Funktionen aufzurufen, du kannst auch gleich auf dem Display lange auf das entsprechende Icon tippen. So kommst du zur entsprechenden Einstellungsseite. Auch die acht Menüschnelleinstiege auf dem Display sind nun nach deinem Belieben konfigurierbar. Zur besseren Lesbarkeit wechseln die Anzeigen ihre Orientierung, wenn du die Kamera hochkant nimmst. Das funktioniert auch im elektronischen Sucher.

Apropos Display: das ist nun nach klappbar. Es kann 90° nach oben und 45° nach unten geklappt werden. Bodennahe Aufnahmen sind nun deutlich leichter möglich. Es schaltet sich praktischerweise automatisch an, wenn ich es ausklappe. Das ist toll. Auch macht das Ausklappdisplay einen sehr stabilen Eindruck. Leider kann es bei Hochkantaufnahmen nicht entsprechend gekippt werden und das nervt etwas.

Jubel bei den Spielerinnen vom FC St. Pauli

Besser ist auch das obere Display geworden. Bevor ich die Kamera zum Auge führe, kann ich über diese quadratische Anzeige alle Einstellungen überprüfen und sofort los fotografieren. Selbst eine Belichtungswaage wird dort angezeigt. Der Status für Bluetooth und WLAN ist allerdings dort weggefallen. Das ist zumindest für die Bluetooth Verbindung zur Übermittlung der GPS Daten aus dem Smartphone nicht schlimm, denn die funktioniert überraschend zuverlässig.

Leica scheint die Verbindungsprobleme zur App Leica Fotos endlich in den Griff bekommen zu haben. Die WLAN Verbindung wird selbst bei schlafender SL3 sicher aufgebaut. Über mehrere Meter Entfernung kann ich die Belichtungseinstellungen verändern und die SL3 auslösen – selbst durch Türen. Das war bei der SL2 völlig unvorstellbar. Das Vorgängermodell hat die Verbindung schon bei direkter Sicht auf zwei Meter Entfernung verloren. Aber Achtung: WLAN benötigt relativ viel Akkukapazität und deswegen solltest du darauf achten, dass du das WLAN wieder ausschaltest, wenn du es nicht mehr benötigst.

Bedienelemente der Leica SL3

Bevor jetzt Lesende glauben, ich würde hier nur Jubelarien schreiben, komme ich zum Wahlrad auf der linken oberen Seite der Kamera. Das ist neu und aus meiner Sicht komplett überflüssig. Wie auch beim Daumenrad oder beim rechten oberen Wahlrad kann ich nur eine der vier Funktionen auf diese Räder legen: Blende, Zeit, Belichtungskorrektur oder ISO. Problem eins: Wenn ich Auto-ISO gewählt habe, kann ich mit dem Wahlrad nicht die ISO wechseln. Vielleicht kann Leica die Programmierung hier erweitern.

Problem zwei: zum Verstellen brauche ich eine zweite Hand. Diese habe ich in aller Regel aber unter dem Objektiv. Eine vernünftige Verwendung ist nur möglich, wenn ich eine Festbrennweite nutze – alle anderen Objektive sind zu schwer oder manuell zu bedienen.

Problem drei und das ist für mich das schwerwiegendste: beide oberen Wahlräder verstellen sich im hektischen Alltag zu schnell. Es müsste stärker „rasten“, um eine bessere Hilfe zu sein. Ich habe auf das linke Rad nun die Blende gelegt, denn diese verstelle ich am seltensten und wenn, dann bevor ich die Kamera zum Auge führe. Rechts oben habe ich die Belichtungskorrektur und am Daumenrad die Zeit konfiguriert. Letztere verwende ich am häufigsten. 

Leica SL3 von hinten mit stabilem Klappdisplay und nun die bekannten drei Tasten rechts.
Stabiles Klappdisplay und nun die bekannten drei Tasten rechts.

Die drei Tasten neben dem Display sind nur auf die rechte Seite gewandert. Da ich mit dem linken Auge fotografiere, kann ich die Tasten nutzen auch wenn ich durch den Sucher schaue. Dafür kann ich als Linksäuger den Touch Screen nicht nutzen. Ich verschiebe sonst mit meiner Nase den Fokuspunkt ungewollt. Übrigens eins der wenigen Features, die ich von der Sony vermisse – die haben an mit links Fotografierende gedacht und schalten ein halbes Touchdisplay ab. So kann ich mit dem Finger auf dem Touch den Fokuspunkt verschieben, obwohl ich gerade durch den Sucher schaue. Dabei stört die Nase dann nicht, weil der Teil des Touchs abgeschaltet ist.

Bei der Leica SL3 geht das Verschieben des Fokuspunkts nur deutlich langsamer über den Joystick. Bei der aktuellen Firmware scheint sich ein Fehler diesbezüglich eingeschlichen zu haben. Obwohl ich den Touchscreen bei Verwendung des elektronischen Suchers abgeschaltet habe, wandert der Fokuspunkt bei doppelter Berührung des Touchscreens in die Mitte. 

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass die Bedienelemente der Leica SL3 nun stark dem Schwestermodell aus dem Hause Panasonic angeglichen wurde. Deren Modell der L-Mount Reihe haben ebenfalls die gleichen Wahlräder und die Knöpfe rechts neben dem Display. Vermutlich gibt es so kosteneinsparende Synergien.

Verschlusszeiten und Verarbeitungsgeschwindigkeit

Beim Verschluss muss sich in der aktuellen Firmware 1.10 ein weiterer Fehler eingeschlichen haben: eigentlich geht der mechanische Verschluss nämlich bis zu 1/8000s Belichtungszeit und der elektronische bietet dann noch die 1/16000s in Drittelstufen an. Dies stellt eine Verschlechterung gegenüber der 1/40000s der SL2 dar. So häufig habe ich diese kurze Belichtungszeit zwar selten gewählt, aber in extrem hellen Lichtsituationen war das echt ein gutes Feature. Zurück zum vermuteten Fehler: In der aktuellen SL3 wird im Hybridmodus, der mechanischen und elektronischen Verschluß kombiniert, bis zur 1/4000s der mechanische Verschluss genutzt und bei kürzeren der elektronische. Das steht in der Bedienungsanleitung anders. Da sollte der mechanische Verschluss auch im Hybridmodus bis zu 1/8000s genutzt werden. Die längste Belichtungszeit ist übrigens 60 Sekunden. Über den Bulb Modus kann ich allerdings auch 30 Minuten belichten.

Die Auslöseverzögerung ist übrigens sehr viel besser als bei der SL2. Wenn du im Sucher was siehst und den Auslöser drückst, vergeht nur ein Bruchteil einer Sekunde bis zum tatsächlichen Bild. Das ist wirklich top. Ich komme aber gleich noch zu einem Nachteil des hochauflösenden Sensors.

Marcel Hartel gefühlvoll am Ball beim Spiel gegen Paderborn – fotografiert mit der Leica SL3 und dem APO-Vario-Elmarit 90-280mm

Neu ist auch die Verwendung der CFExpress Type B  Karten. Diese Neuerung ist absolut nachvollziehbar, weil die Datenmengen bei einem 60 Megapixelsensor sonst einfach zu groß werden. Erst recht, wenn du mit der Leica SL3 in 8K filmst. Außerdem ist die Datenübertragung auf dem heimischen PC deutlich schneller. Daher finde die Einführung der CF Express sehr begrüßenswert. Allerdings besitze ich auch schon zwei CF Express Karten. Neueinsteiger:innen schrecken eventuell die hohen Kosten der Karten ab.

Ich habe leider auf der Leica Seite keine Hinweise zur Konformität der Karten gefunden, kann aber sagen, dass meine beiden Lexar Karten (128 und 512GB) zwar reibungslos funktionieren, allerdings jedes Mal nach der Datenübertragung auf den Rechner neu in der Kamera formatiert werden müssen. Leider habe ich auch keine Angaben zur unterstützten Schreibgeschwindigkeit gefunden. Ich vermute, dass die Leica SL3 den neuen 4.0 Standard noch nicht unterstützt, da dieser erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 verabschiedet wurde. Es ist in diesem Zusammenhang wirklich schade, dass Leica zwar aktiv in Social Media unterwegs ist, aber auch Fachfragen keine Antworten gibt.

Übrigens wird die Karte bei 5 Bilder pro Sekunde schnell warm. Das solltest du nicht vergessen, wenn du in wärmeren Gefilden fotografierst. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass die Kamera bei intensiven Autofokusoperationen schneller warm wird als das Vorserienmodell. Für eine genauere Aussage fehlt mir aktuell aber das Wetter.

(Edit am 23.4.: Eben habe ich entdeckt, dass am linken Rand im Sucher angezeigt wird, wenn Schreibvorgänge auf der Karte stattfinden. Als Brillenträger bin ich mit meinem Auge vermutlich zu weit vom inneren Display weg, um das früher festgestellt zu haben. Ein kleines rotes Licht leuchtet, wenn die Karte beschäftigt ist. Rechts unten kannst du sehen, wie viele Bilder du in Serie noch machen kannst, bis der Puffer voll ist.)

Ebenfalls neu sind die verwendeten Batterien, allerdings nur in der Kapazität (2200 statt 1860mAh). Es gibt also eine Kompatibilität zu den alten Akkus – und von den neuen Akkus zu den alten Kameras. Beides sehr erfreulich und heutzutage leider keine Selbstverständlichkeit. Bei den älteren Akkus mit der geringeren Kapazität funktionieren allerdings einige Features der SL3 nicht. Auch dazu findest du auf der Leica Seite keine Informationen. Herausgefunden habe ich, dass der Serienbildmodus dann nur zwei Bilder pro Sekunde unterstützt. Bei den Filmmodi sind die Einschränkungen umfangreicher. Statt 4k oder 8k ist dann eben nur das Aufnehmen in FullHD möglich. Die Kamera zeigt dir an, wenn die alten Akkus nicht in der Lage sind, mit dieser Einstellung zu filmen.

Sucherbild und Auslöser zeigen sehr gute Reaktionszeiten. Fotografiert am Züricher Flughafen während ich auf den Beginn des Boardings wartete.

Die neuen Akkus halten unter meinen realen Bedingungen ca 500 bis 700 Auslösungen (nach CIPA Standard 260 Aufnahmen). Ich habe mit zwei Akkus ein zweitägiges Event mit 3500 Auslösungen und einigen Filmsequenzen fotografiert und dabei immer einen Akku geladen, während der andere in der Kamera war. Das ist weit entfernt von anderen professionellen Kameras, aber nicht hinderlich – solange eine Steckdose in der Nähe ist. Es ist übrigens auch möglich, die SL3 über eine Powerbank zu laden. Es gibt ein optionales Zubehör mit einem Akku als USB-C Anschluss. Sicherlich interessant für Studiofotograf:innen. Wenigstens kannst du nun Serienbildaufnahmen mit allen Akkuständen machen. Heureka! Mit den alten Akkus kam bei grob 40% Ladezustand in der SL2 und SL2s der Hinweise, dass schnelle Serienbildaufnahmen nicht möglich sind. Weswegen ich hier ein halbes duzend alte Leica Akkus habe – das Stück zu 150€.

Es fehlt im Lieferumfang ein Ladegerät für die Akkus. Diese Investition musst du also zum eh nicht Schnäppchenkaufpreis der Leica SL3 oben drauf rechnen. Das “USB-C Power Set” mit Ladeschale für zwei Akkus, einem Zusatzakku und entsprechenden Kabel und Stecker kostet 370€.

Der neue Autofokus

Kommen wir zur wichtigsten und langerwartesten Neuerung der SL3: der Autofokus. Positiv ist herauszustellen, dass er wirklich sehr viel schneller geworden ist. Selbst mit dem langsamen (aber grandiosen) SL-Summilux 50 sind bei Offenblende von 1.4 Aufnahmen von entgegenkommenden Spaziergänger möglich. Mit schnelleren Optiken, wie dem sagenhaften APO-Vario-Elmarit 90-280mm, ist natürlich noch viel mehr möglich. Hier ein Beispiel mit dieser Kombi bei 4 Serienbilder pro Sekunde im AF-Modus Feld. Dieses Beispiel habe ich bewusst gewählt, weil das erste Bild wegen meines Bedienfehlers unscharf ist.

Das war mit der SL2(s) undenkbar. Wenn da das erste Bild nicht scharf war, hattest du keine Chance mehr, dass auch nur ein Bild der Serie scharf wird. Also schnell ist der Autofokus schon. Beim Fussball – und vermutlich auch anderen Sportarten – wäre eine Verwendung des Vorfolgungs-Autofokus die beste Option. Die Trefferquote in diesem Modus ist allerdings auch vom Licht und von den JPG Einstellungen abhängig – dazu später mehr. Auch die Bildanzahl pro Sekunde spielt eine Rolle. Auch dazu gleich mehr. Selbst wenn das Verfolgungs-Fokussierfeld eine klare Kontrastkante als Anker gefunden hat, werden viel zu viele Bilder nicht scharf abgebildet. Deswegen habe ich bis jetzt die besten Ergebnisse mit dem AF Modus Feld bekommen. Das war/ist auch schon bei der SL2(s) so.

Sportfotografie mit der SL3?

Du merkst bei schnellen Aktionen vor deiner Linse, dass 60 Megapixel keine Actionkamera machen. Das liegt nicht am Autofokus, aber an der langsamen Auslesegeschwindigkeit des Sensors. Ruckzuck hat man den Überblick verloren, weil der Sucher zu lange braucht, um wieder ein aktuelles Bild anzuzeigen. Bei Serienaufnahmen von vier Bildern pro Sekunde, sieht das aus wie ein alter Stummfilm: abgehackte Standbilder, die nichts mit dem zu tun haben, was tatsächlich vor der Linse passiert. Der Effekt tritt bei schnelleren Serien von 4 Bilder pro Sekunde und mehr auf. Interessanterweise wird es etwas besser, wenn die Bildwiederholfrequenz auf den niedrigeren Wert von 60B/s eingestellt wird und nicht auf die vollen 120B/s. 

Neu und unwillkommen ist, dass im kontinuierlichen Autofokus Modus das Bild während des Fokussierens unscharf wirkt. Das gilt zwar nur für das Sucherbild, irritiert anfangs aber trotzdem. Die Kamera scheint überfordert, wenn zu viel im Bild passiert. Ist der Auslöser aber erstmal gedrückt, ist das eigentliche Foto dann aber knackscharf – es sei denn, du hast doch nicht richtig fokussiert 🙂

Enttäuschend ist, dass der AF-C Modus nur bis zu 5 Bildern pro Sekunde überhaupt den Fokus nachzieht. Und nur bis 4 Bilder pro Sekunde mit der vollen 14 bit Farbtiefe. Das ist deswegen enttäuschend, weil zum Beispiel die Nikon Z9 – obwohl ein Jahr älter und 1000€ preiswerter – kontinuierlich bis zu 9 Bilder pro Sekunde scharf stellt. OK, die hat nur 45 Megapixel und über die Farbtiefe habe ich keine Angaben gefunden, aber der Autofokus ist der Leica auch bei der SL3 immer noch deutlich überlegen.

Trotzdem ist es natürlich möglich, mit der SL3 actionreiche Sportfotos zu machen – es ist aber definitiv ihr nicht ihr präferiertes Einsatzgebiet.

Tier-AF im beta-Modus

Neu ist der Tierautofokus, der sein „Beta“ im Modusnamen zurecht trägt. Zwar werden Tiere relativ zuverlässig mit einem entsprechenden AF Kasten versehen, aber nicht genauso zuverlässig auf den Kopf scharf gestellt. Selbst wenn das Tier sich nicht bewegt, werden in diesem Modus nicht alle Bilder einer Serie scharf fokussiert. Es lohnt sich trotzdem diesen Fokusmodus zu verwenden, weil Tiere in Bewegung oder Tiere hinter Gegenständen schneller erkannt werden. Leider fehlt es auch hier etwas an Zuverlässigkeit, aber Panasonic bringt Ende des Monats eine AF Version 2.0 für ihre S5II Modelle und vielleicht kann davon auch Leica profitieren.

Nach meinen Erfahrungen ist der Autofokus auch nach wie vor zu langsam, um heran fliegende Vögel zu fotografieren. Das ist zugegebenermaßen eine besonders herausfordernde Disziplin für den AF.

Der Autofokus der Leica SL3 bei der Portraitfotografie

Mitte März habe ich ein Event fotografiert und sehr viel mit unterschiedlichen Fokusmethoden experimentiert. Die Personenerkennung bringt teilweise sehr gute Ergebnisse. Problematisch wird es, wenn mehrere Menschen im Bildausschnitt sind. Der Autofokus springt dann schnell zwischen den Personen hin und her. Selbst wenn du eine Personen fokussiert hast, passiert es häufig, dass der AF plötzlich eine andere Person auswählt und diese fokussiert. Dadurch, dass der AF nun so viel schneller als bei der SL2 ist, ist diese Funktionsweise nervig. Ich hätte gerne eine Möglichkeit, eine einmal fokussierte Person dauerhaft im Fokus zu lassen.

Die Leica SL3 findet die Personen im Bild auch durch die kleinen klaren Felder einer Schrift auf einer Milchglasscheibe – Fotografiert auf einer Messe mit der SL3 und dem SL Summilux 50mm bei Offenblende von  f1.4
Die Leica SL3 findet die Personen im Bild auch durch die kleinen klaren Felder einer Schrift auf einer Milchglasscheibe – Fotografiert auf einer Messe mit der SL3 und dem SL Summilux 50mm bei Offenblende von f1.4

Bei Einzelportraits hat Leica leider die Chance verpasst, eine der wenigen schlechten Designentscheidungen der letzten Jahre zu korrigieren. Als die SL2 2019 auf den Markt kam, hat Leica versucht die Gesichtserkennung zu etablieren. Ich kam damals gerade von Sony mit dem Augenautofokus und hatte direkte Vergleichsmöglichkeiten. Tatsächlich hatte ich bei Portraitsessions mit der Leica mehr Keeper als mit Sony, wenn ich nur scharfe Augen in den Bildern werte. Leider funktioniert Marketing manchmal anders und es musste unbedingt ein Augenautofokus bei Leica her.

Es folgte die schlechteste Entscheidung, die getroffen werden konnte. Leica bastelte um die Augen Kästchen. Deren Rahmen waren allerdings so dick, dass oft nicht mehr durch den Sucher erkennbar ist, wohin der Mensch gerade schaut, den ich fotografiere. Nun hätte ich gehofft, dass eine von mir deswegen geschätzte Marke, weil sie ihre Menüs und Funktionen ihrer Kameras sehr gut auf Fotograf:innen abzielt, dass sie diese fürchterlichen dicken Rahmen schmälert. Übrigens finde ich hier die Lösung, die Panasonic etabliert hat, am Besten. Deswegen und weil ich gespannt bin, wie diese Marke die zu langsame Auslösegeschwindigkeit des Sensors löst, freue ich mich auf deren Nachfolgemodell der S1R.

Filmen mit der SL3

Nei bei der SL3 ist eine separate Schnittstelle für Timecodes bei Videos, dabei wird diese Kamera niemals bei ernsthaften Filmprojekten eingesetzt werden. Die Sensorauslesezeit ist einfach zu langsam. Sobald du bewegt filmst, werden die Dinge schräg. Rolling Shutter wird das Phänomen genannt. Trotzdem kannst du mit der Kamera aber sehr gut filmen. Der Editor meines ersten Projekts mit der SL3 war sehr von der Qualität der Files angetan.

Ich bin bezüglich Film allerdings zu unerfahren, um hier in die Tiefe einzusteigen. Nach wie vor sehr gut, ist die komplette Entkopplung der Einstellungen zwischen Foto und Film. Dies ist optisch sogar noch besser dargestellt, weil die Foto-Menüs in roter Schrift oder mit rotem Balken hervorgehoben werden, während Video Einstellungen gelb sind. So weißt du immer, wo du dich gerade befindest. Mit einem Klick kannst du zwischen den beiden Modi wechseln. Das ist sehr angenehm.

Weitere Änderung

Neu sind die Leica Looks. Vermutlich hat auch hier das Marketing sich gedacht, dass man dem Hype um Fujis Filmsimulationen etwas entgegensetzen müsste. Leider gefallen mir die drei bisher veröffentlichten überhaupt nicht. Davon abgesehen, dass ich eine negative Auswirkung auf die Autofokusperformance bemerkte, gibt es weitere Inkonsistenzen in der Menüführung. Um das zu verstehen, schauen wir uns erstmal das Menü für den AF-Modus an.

Auf dem ersten Blick sind die Modi Personenerkennung und Tier (Beta) nicht zu erkennen. Du siehst aber die beiden kleinen Punkte links? Diese zeigen dir an, dass es noch eine zweite Seite zu diesem Menü gibt. Unnötig zu erläutern, dass ich diese bei der ersten Benutzung der Leica SL3 nicht gesehen haben. Auch nicht beim fünften Aufrufen – es war nämlich bei Kunstlicht im Leica Store.

Auf dem ersten Blick sieht auch dieser Auswahlbildschirm so aus, wie der eben gezeigte. Wegen der beiden Punkte am linken Bildrand, ist eine weitere Auswahlseite zu erwarten. Es gibt allerdings aktuell keine. Außerdem siehst du nicht, welchen Look du ausgewählt hast – oder ob du überhaupt einen ausgewählt hast. Noch schlimmer: du kannst ihn an dieser Stelle auch nicht “abwählen”. Um einen der Looks abzuwählen, musst du in ein anderes Menü wechseln. Im Menü “Film Look” musst du einen der seit Jahren bewährten Looks auswählen, um den Leica Look los zu werden. Beides gleichzeitig kannst du nämlich nicht auswählen.

Klingt alles logisch? Warte bis du den Haken beim entsprechenden Film Look siehst, obwohl du einen Leica Look ausgewählt hast. So ein Durcheinander habe ich bei Leica noch nicht erlebt. Ich kann nur hoffen, dass die nächste Firmware diese kleinen, aber nervigen Fehler behebt.

Außerdem fehlt eine Möglichkeit, eine Blitzanlage via Kabel zu steuern. Von anderen Leica Usern weiß ich, dass das Vorhandensein eines eingebauten Speichers gewünscht wurde, wobei ich persönlich die Verwendung zu umständlich finde. Ob es eine Pixel-Shift Option in einer der nächsten Firmwares gibt, weiß ich nicht. Aktuell fehlt sie noch. Am wichtigsten finde ich, wenn Leica es mal schaffen würde, offen zu kommunizieren. Dringend benötigte Informationen für Menschen, die ihre Kamera professionell benutzen wollen, werden im Regen stehen gelassen.

Genug gemeckert, kommen wir zu den Stärken.

Die absoluten Stärken der Leica SL3

Das Kameragehäuse war schon bei den Vorgängermodellen über jeden Zweifel erhaben. Ich habe selten Kameragehäuse so intensiv genutzt und nach Jahren so wenig Gebrauchsspuren an den Bodys gesehen. Das kann Leica und spricht für eine professionelle Kamera. Auch im strömenden Regen, liefert die Kamera und ihre Objektive einfach ab.

Die Farben und die Dynamik sind bei der SL3 auf gewohnt sensationellem Leica Niveau. Es ist zwar der gleiche Sensor wie bei der Leica M11, aber noch mal verbessert. Keine Ahnung, wie Leica das immer wieder schafft. Ob das am neueren Maestro Chip liegt, weiß ich nicht. 

Farben auf dem Hamburger Dom bei Nacht

Die HighISO Qualität ist definitiv besser als bei der M11. Ich kann mich ja noch an die Zeiten erinnern, dass meine Nikon D3 mit 12 Megapixel die Queen der Nacht war. Die Leica SL3 ist mit 60 Megapixel in dieser Kategorie deutlich besser. Das ist für mich faszinierend und zeigt, was technologischer Fortschritt bedeuten kann.

Leica SL3 mit ISO10000
Leica SL3 bei Blende 2 und 1/13s Belichtungszeit – es war also wirklich dunkel – bei ISO10000!

Die Bildstabilisierung hat sich gegenüber des Vorgängermodells nicht verbessert und ist nach wie vor auf einem guten Niveau.

Foto vom Dom Fahrgeschäft mit Leica SL3 mit Apo-Summicron 35mm bei 1/5 Sekunde Belichtungszeit
Leica SL3 mit Apo-Summicron 35mm bei 1/5 Sekunde Belichtungszeit

Vor meinem Fazit hier noch ein paar Schnappschüsse von einer Stunde in Nizza.

Mein persönliches Fazit zur Leica SL3

Die Leica SL3 ist ein gelungenes Update. Portrait-, Landschafts- und Architekturfotograf:innen werden mit dieser Leica sehr viel Spaß haben. Insbesondere mit den hervorragenden SL Optiken sind die Übergänge von scharf zu unscharf so natürlich wie bei kaum einer anderen Marke. Gleichzeitig bringen die Mikrokontraste wunderbare Details hervor. Sportfotograf:innen oder generell Menschen, die gerne schnelles fotografieren, müssen unbedingt wissen, was sie wollen.

Freude macht mir das Benutzen der Leica SL3 aber auf jeden Fall. Das liegt an dem klaren Bedienungskonzept, das mich als Fotograf absolut abholt. Die Farben und der Belichtungsspielraum sind für mich ebenfalls Eigenschaften, die mich täglich erfreuen.

  1. Lieben Dank für Deinen Bericht! Ich habe zwar noch nicht ganz so viele Bilder wie Du auf der Uhr meiner SL3, kann aber alles das was Du beschreibst unterstreichen. Auch ich habe den Eindruck das die “Software” einfach noch nicht fertig ist. Ich kann nur hoffen das hier bald ein Update kommt. Insbesondere würde ich mich freuen wenn man die Wahlräder einzeln sperren könnte. Mich nervt das versehentlich verstellen brutalst. Insbesondere wenn ich am Filmen bin und es nicht sofort bemerke. So habe ich schon einige Szenen stundenlang in der “post” versucht zu retten. Verdammt cool wäre es zumindest für mich, wenn man mit dem linken Wahlrad die Profile durchschalten könnte. So wäre ein schnelles umschalten der Videoauflösungen möglich. Bitte Leica, macht da was!

  2. Den Bericht kann ich voll und ganz unterschreiben. Ich durfte die Kamera vorab in der Beta Version testen und habe damals schon einige der hier beschriebenen Punkte angemerkt. Vermutlich war es aber schon zu spät vor Launch und man konnte nicht mehr alles umsetzen.
    Ich habe mich bewusst gegen die Kamera entschieden, obwohl es auch viele positive Punkte gibt. Aber die SLS-S ist für mich immer noch die praktischere Kamera.
    Und ja, Leica hat mit der SL3 einige Chancen verpasst. Schade.
    Trotzdem ist das Gesamtpaket aus Kamera und Optik was ganz besonderes und bekommt man so nirgendswo anders.

  3. Danke für Deine Erfahrungen , wenn ich es lese bin ich froh meine Z9 mit dem superben AF zu haben.
    Bestes Arbeitstier- aber mehr Spaß macht meine SL2-S 🫶🏻
    Schreibe gerne weiter Erfahrungsberichte über Cams und Objektive, höchst interessant und Lehrreich-DANKE dafür 🙏🏼
    Forza FCSP

    1. Danke für deinen aufmunternden Kommentar. Früher habe ich öfter über Kameras etc geschrieben. Mittlerweile habe ich dazu immer weniger Lust, weil du ja mit jeder Kamera gute Bilder machen kannst – von sehr speziellen Anforderungen mal abgesehen. Letztlich hat jede:r seine eigenen Vorstellungen und Wünsche an die eigene Kamera.

  4. Vielen Dank für deinen Beitrag! Obwohl ich noch nicht so viele Aufnahmen wie du mit meiner SL3 gemacht habe, kann ich alles, was du beschreibst, bestätigen. Auch ich habe den Eindruck, dass die Software noch nicht ganz ausgereift ist. Ich hoffe wirklich, dass bald ein Update verfügbar sein wird. Besonders würde ich es begrüßen, wenn man die Wahlräder einzeln sperren könnte. Es ist wirklich ärgerlich, wenn sie versehentlich verstellt werden, besonders während des Filmens, wenn man es nicht sofort bemerkt. Ich habe schon einige Szenen stundenlang in der Nachbearbeitung zu retten versucht, weil sich die Einstellungen ungewollt geändert hatten. Für mich persönlich wäre es sehr praktisch, wenn man mit dem linken Wahlrad durch die Profile schalten könnte, um schnell zwischen verschiedenen Videoauflösungen zu wechseln. Bitte, Leica, überdenkt das!

    1. Danke für deinen ausführlichen Kommentar. Bezüglich der Profile hat Michael ja ähnliches geschrieben. Ich habe die Profile auf einen der Knöpfe gelegt, aber ja – über das Wahlrad ginge das sehr viel schneller.

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