Fünfeinhalb Jahre habe ich nahezu alle Jobs mit einer Leica M fotografiert. Das hat sogar dazu geführt, dass Leica eine Werbung mit meinen Bildern geschaltet hat. Ich kann also wahrlich sagen, dass die Leica eine adäquate Kamera für alle möglichen Arten der Fotografie ist. Gerade bei Dokumentationen hat sie ihre Stärken. Aber auch Portraitfotografie ist absolut machbar: on location und auch im Studio.
Rückblickend eine schöne Zeit, aber es gab auch Überraschungen, die ich vorher so nirgendwo gelesen hatte. Daher jetzt meine ultimative Liste von Erfahrungen, die ich gerne gewusst hätte, bevor ich mir eine (digitale) Leica M zugelegt hatte.
Die ersten Bilder mit einer Messucherkamera werden in den seltensten Fällen scharf. Besonders bei längeren Brennweiten – also so ab 50mm – und geöffneten Blenden ist der Schärfebereich sehr klein und dein Gehirn muss sich erst mal einschiessen. Wie ein scharfes Bild im Messsucher aussieht, ist ein interessanter Lernprozess. Der Vorteil: später gelingen dir scharfe Fotos auch, wenn der Messsuchermechanismus dejustiert ist. Mir ist bei einer Hochzeit recht früh am Tag die Kamera runter gefallen. Danach stimmte im Messsucher nichts mehr. Trotzdem waren alle Bilder scharf, weil mein Gehirn den Fehler ausgleichen konnte. Versuche in so einem Fall mal schnell die AF Feinjustage deiner supergeilen Elektrokamera einzustellen.
Leica besticht durch Glas und weniger durch Technik. Wenn du dir also eine Leica M kaufst, solltest du auch das Geld für Leica Objektive haben. Der tolle Look der Bilder aus einer Kamera, entsteht hauptsächlich durch die Verwendung der Linsen. Leica Optiken haben oftmals den besten Look. Dreidimensionalität, Bokeh und Schärfe gibt es hier auf kleinstem Raum. Wenn du mal mit einer guten Leica Linse fotografiert hast, fällt es schwer mit anderem Glas zu schiessen. Das Problem beim Zeigen der Bilder im Netz: kaum jemand sieht den Unterschied – schon gar nicht auf mobilen Endgeräten.
Nicht alle Leica Objektive sind gut, aber alle sind sehr teuer. Erfahrungswerte zu sammeln, kann also sehr große Löcher in den Sparstrumpf fressen. Zu meinen Lieblingsoptiken gehören das Super-Elmar 21mm, Summilux in 28mm und 35mm, das Noctilux 50mm und auch das Summicron 90mm. Das ergibt bei aktuellen Neupreisen 28750€ – ohne Kamera. Ja, es gibt auch preiswertere Linsen, aber fährst du deinen Porsche auch mit 165er Reifen? Falls ja, kann ich das Zeiss Sonnar 50mm* sehr empfehlen…
Leica Optiken werden im Laufe der Zeit immer teurer. Das Noctilux zum Beispiel hat in den letzten 6 Jahren eine Wertsteigerung von 10% erfahren. Also lieber gleich kaufen – niemals warten.
Wer seine Leica Kamera häufig nutzt, muss sie auch häufig ins Werk schicken. Die Scharfstellung erfolgt mit präziser Mechanik. Durch äußere Einflüsse besteht die Notwendigkeit zur Justage. Die erfolgt im Leica Werk in wunderbarer Akribie. Allerdings muss die komplette Ausrüstung eingeschickt werden. Ich habe meine Leica Kameras und Objektive rund alle 9 Monate eingeschickt.
Mit dem schnellen und komfortablen Profi-Service dauert die Justage deiner Leica M in Wetzlar rund zwei Wochen – inklusive Postweg. Den Profi-Service bekommst du nur, wenn du auch Profi bist. (Fair enough) Vor einer Photokina gibt es allerdings Profis mit Supersonderstatus und du wartest trotz Profistatus drei oder vier Wochen. Wenn du deine Leica zum Geldverdienen benötigst, wird so auch der kostenlose Service sehr teuer. Ohne Profistatus wartest du in Deutschland rund 8 Wochen. Außerhalb Europas noch länger…
Gebrauchtkauf ist ein Traum bei Leica. Oft genug sah ein gebraucht gekauftes Objektiv nach zwei Stunden in meinen Händen benutzter aus als ich es gekauft hatte. Jede Menge Leute da draussen haben zwar Geld, aber vermutlich keine Zeit für die Verwendung von Leica Kameras oder Optiken. Es lohnt sich immer, auf den Gebrauchtmarkt ein Auge zu haben.
Leica bringt alle zwei Jahre eine neue Kamera raus. Die Technik darin ändert sich aber nur grob alle vier Jahre. Bei Sondermodellen kann sich auch schon mal 6 Jahre alte Technik verbergen. Die wird dann oft mit klingenden Namen vermarktet. Aktuell die „Drifter im Lenny Kravitz-Design“ – eine 2013 erschienene M-240 ohne Bayer Matrix Folie. Schon beim Erscheinen einer neuen M-Kamera mit neuer Leica Technologie werden keine besonders guten Werte im Dynamikumfang und Rauschverhalten erreicht.
Das Nadelöhr ist der Messsucher, der mechanisch den Autofokus ersetzt. Trotz bester Toleranzbereiche und immer genauerer Feinjustage, wird er bei noch höher auflösender Sensoren den Nutzer vor Probleme stellen. Schon jetzt schmerzt nach langem Fotografieren das Auge, das sich sehr konzentrieren muss. Nicht umsonst kursiert schon lange das Gerücht, die nächste Leica M wird einen EVF eingebaut haben. Das ist zwar sinnvoll, aber der Reiz einer Messucherkamera wird damit flöten gehen. (Davon abgesehen ist es auch zweineinhalb Jahre nach Einführung der aktuellen M10 Serie nicht möglich, den Nachrüst-EVF gemeinsam mit einer Studioblitzanlage zu verwenden.) Die guten Leica M Optiken bespielen auch höherauflösende Sensoren problemlos. 50MP+ sind mit den ASPH Gläsern möglich.
Leica M Kameras sind klein und sehr portabel, aber auch überraschend schwer. Grandios sind sie in der Kombination mit Linsen, die diese Fingerhalterung am Objektiv haben. Irgendwann weiß deine Hand, wie es sich anfühlt, wenn das Objektiv bei einer bestimmten Entfernung scharf gestellt ist. In der Verbindung mit einem Noctilux hingegen, wird deine Hand nach einem langen Fototag schmerzen. Es ist die rechte Hand die schmerzt und die linke, die du trainierst.
Bei Auftragsarbeiten im High-Society-Bereich ist das Arbeiten mit einer Leica M ein Türöffner. Sehr oft habe ich relativ einfach Zugang zu reichen Menschen bekommen, weil ihre Väter früher mit Leica fotografierten…
Fazit zum Fotografieren mit einer Leica M:
Mit einer Leica M zu fotografieren ist etwas besonderes. Vieles ist mit dieser Messsucherkamera möglich. Allerdings stehen auch einige Kompromisse im Weg. Wenn du dir darüber bewusst bist und diese in Kauf nimmst oder umgehen kannst, wirst du mit tollen Fotos belohnt.
Edit Anfang 2020: Meine analoge Leica M hatte ich sowieso behalten und damit weiterhin fotografiert. Aber mit dem Jahreswechsel ist nun auch eine digitale Leica M wieder in den Haushalt eingezogen. Sie ist sehr schnell meine Lieblings-Hobbyknipse geworden. Erste Bilder findest du von meinem Neujahrsspaziergang.