Der FC St. Pauli ist deutscher Meister

Offizieller Fototermin mit dem neuen deutschen Meister
Fototermin mit dem frisch gebackenen deutschen Meister

tl;dr: Der FC St. Pauli besiegt im Finale um die deutsche Meisterschaft den amtierenden Meister aus Marburg im Sechsmeterschiessen.

Disclaimer: Dieser Blogpost hat sehr viele Worte und Bilder, aber deutscher Meister wird man nicht alle Tage – schon gar nicht als St. Paulianer. Daher verzeiht mir die Länge des Beitrags, aber da ist dem Blindenfussball in Hamburg wirklich Großes gelungen.

Der Rahmen

Erstmals wurde die deutsche Meisterschaft im Blindenfussball in einem Finale zwischen den ersten beiden Mannschaften der abgelaufenen Bundesliga-Saison entschieden. So trafen sich in Halle an der Saale die beiden Teams aus Marburg (16 Punkte und amtierender Meister) und FC St. Pauli (15 Punkte und noch nie gegen Marburg gewonnen). Ich hatte nach dem letzten Spieltag und der Gewissheit auf dieses Finalspiel sofort meine Zugfahrkarte gebucht. Ich begleite das Team ja nun schon etwas länger und bei dieser einmaligen Chance auf den deutschen Meistertitel wollte ich unbedingt dabei sein. Aber auch schon der zweite Platz hätte die beste Platzierung in der Bundesliga für den FC St. Pauli bedeutet. Immerhin darf man nicht vergessen, dass der FC St. Pauli in seinen Bundesliga Jahren 2008 bis 2013 ein Abo auf den letzten oder vorletzten Tabellenplatz hatte. In diesen 6 Jahren hatte das Team insgesamt weniger Tore geschossen als alleine in dieser Saison!

Das Spiel

Die Konzentration und Fokussierung des Teams auf dieses Spiel war mit den Händen greifbar. Das „wir sind Kiezkicker“ im Teamkreis war besonders laut. Bei der Vorstellung der Spieler riefen die Spieler die Namen ihrer Mitspieler wie immer mit – diesmal aber besonders selbstbewusst. Da stand ein geschlossenes und entschlossenes Team auf dem Kunstrasen.

FC St. Pauli kam auch sehr gut ins Spiel, war zu Beginn griffiger und erarbeitete sich Chancen. Tore wollten aber in der ersten Halbzeit keine fallen. Der Marburger Sturm um Serientorschütze Alican Pektas lief sich immer wieder an der in neuer Formation spielenden Abwehr vom FC St. Pauli fest. Das Team hatte kurzerhand die Taktik vom frisch gebackenen Europameister Russland übernommen. Vor allem Philipp „Hippo“ Versen lieferte sich packende Duelle mit dem Torschützenkönig aus Marburg. Zum Ende der ersten Halbzeit kamen auch die Marburger besser ins Spiel. Beide Teams hatten da jeweils 5 Teamfouls auf der Uhr und das nächste Foul hätte einen Acht-Meter-Strafstoß bedeutet. Der Halbzeitpfiff kam nach 20 Minuten aber rechtzeitig.

Die zweite Halbzeit begann ausgeglichener. Plötzlich nutzte der schnelle Paul Ruge den Platz in der Marburger Mitte zu einem Gegenstoß. Für den Marburger Torwart unerwartet und unhaltbar verwandelte Paul mit seinem schwächeren linken Fuß zum 1:0 in der 25. Minute. Marburg kam nun aber immer besser ins Spiel. Eine Abwehrschlacht breitete sich vor den Augen der zahlreichen Zuschauer aus. 4 Minuten vor Schluß kam Marburg zu einer guten Freistosschance und wechselte clever Niklas Schubert ein, der den Ball durch die Mauer zum Ausgleich drosch.

Beim regulären Ligaspiel hatte der FC St. Pauli 1:0 geführt und doch verloren. Diesmal warfen sie alles ins Spiel, auch wenn Marburg immer stärker wurde. Fast wäre tatsächlich das 2:1 für Marburg gefallen, aber der gute Ball ging an den Pfosten und prallte knapp wieder ins Spielfeld. Dann war Schluß: die deutsche Meisterschaft musste durch ein Sechsmeterschiessen entschieden werden.

Das Sechsmeterschiessen

Die Zuschauer hatten ein spannendes und hochklassiges Finale gesehen und wurden mit einem nervenaufreibenden Sechsmeterschiessen belohnt. Die neuerliche Platzwahl gewann Marburg und entschied, dass sie anfangen zu schiessen. Psychologisch ein Vorteil.

Allerdings traf der erste Marburger Schütze nur den linken Pfosten. Als erstes für den FC St. Pauli trat Rasmus Narjes an. Der Mannschaftskapitän hatte im Dress der deutschen Nationalmannschaft noch den entscheidenden Sechsmeter gegen die Türkei verschossen. Diesmal verwandelte er aber mit traumwandlerischer Ruhe. Der nächste Schütze von Marburg düpierte den hervorragend aufgelegten braun-weißen Torwart mit einem Tunnel. Ausgleich. Paul Ruge traf dann wieder für St. Pauli mit einem sehr stark geschossenen Sechsmeter, den der Marburger Torwart zwar noch an die Hand bekam, aber nicht entscheidend ablenken konnte. Letzter Marburger Schütze sollte dann wieder Niklas Schubert sein. Er musste nun treffen, sollte noch die Chance auf die Fortsetzung des Sechsmeterschiessens bestehen. Mit einem pantherhaften Reflex riss Sven Gronau im Tor der St. Paulianer die Hand hoch und wehrte den Schuss ab. Der FC St. Pauli war knapp, aber verdient erstmals Deutscher Meister!

Die Highlights des Spiels gibt es nun auch in einem kurzen 5 Minuten Video auf Facebook. Vor der Siegerehrung machten die Marburger Spieler und Trainer spontan und ohne irgendwelche Absprachen eine Gasse, applaudierten und gratulierten dem neuen deutschen Meister. Das ist echter Sportsgeist und für mich der Moment des Spiels. Danke für diese tolle Geste, liebe Marburger!

Die Geschichten nebenbei…

Wie es sich für eine gute deutsche Innenstadt gehört, chillten in der Nähe des Mitten in der Stadt platzierten Spielfelds ein paar Punks. Und natürlich trugen sie St. Pauli Devotionalien und hörten St. Pauli Musik. Ich hatte sie kurz vor dem Spiel entdeckt und freundlich rübergenickt. Da auch ich im Teamoutfit durch die Stadt lief, dämmerte den Jungs, was jetzt gleich nebenan passieren sollte. Spätestens als der Moderator durch die Lautsprecheranlage das Team vom FC St. Pauli begrüßte, hatten der Blindenfussball neue Fans gefunden. Sie verfolgten das Spiel von der Tribüne aus und feierten natürlich am Ende besonders intensiv. Ihr Bier wurde mit der Mannschaft geteilt, weil es sonst nur Sekt gab. Nach dem offiziellen Teil der Mannschaftsehrungen wurde daher die Feier schnell vor die Tribüne verlegt und ein Foto mit Familie und Punks gemacht. Die Jungs haben dann noch für die Zugwegzehrung aka mehr Bier gesorgt, während das Team für die Rückfahrt duschte. Und irgendwie kam das Team auch an das Schild mit der Aufschrift „Deutscher Meister“ von der Siegerehrung.

Die Rückfahrt verlief dann weitgehend störungsfrei…

Wie geht es weiter?

Wer den deutschen Meister in Hamburg spielen sehen will, kann das beim Master nächstes Wochenende auf dem Gelände vom BZBS am Borgweg. Am Wochenende des 16ten und 17ten Septembers, jeweils zwischen 09 und 18 Uhr, richtet der FC St.Pauli-Blindenfussball zum bereits zehnten Male ein Masters-Turnier mit internationaler Beteiligung aus. Der italienische Meister AC Marche 2000 controluce, der belgische BBFC-Sieger 5-a-side Anderlecht, der griechische Vizemeister Asamea Keravnos, Avoy aus Brünn/Tschechien, sowie ein All-Star-Team aus englischen und deutschen Nationalspielern versprühen einen Hauch von Champions League. Marburg ist auch dabei.

Der Eintritt ist frei und das Gelände ist hervorragend über die U3 (Haltestelle Borgweg) zu erreichen. Komm vorbei, deutsche Meister siehst du in Hamburg selten spielen…