Heri ya mwaka mpya!

Nahezu drei Jahre Pandemie, jetzt auch noch ein Krieg in Europa und viele weitere sich verschärfende Krisen – irgendwann muss es doch mal wieder positive Zeichen geben? Was nutzt das eigene persönliche Durchwurschteln mit grundsätzlich gutem Ergebnis, wenn ringsherum die Welt bröckelt? Deswegen lautet die Überschrift hier nicht Jahresrückblick 2022, sondern “heri ya mwaka mpya”.

Vor ein paar Jahren habe ich hier geschrieben, dass mich die “Ich, ich , ich” Gesellschaft nervt. Das hat aus meiner Wahrnehmung heraus nun aber eher zugenommen. Das neue Unwort heißt dabei “Freiheit”. Mit diesem Wort wird nun erklärt, warum eine kleine persönliche Einschränkung unmöglich sei – egal, wie gut sie für das Kollektiv wäre. Und bestimmte Politiker:innen leben das populistisch vor.

Freiheit!

Alles wird mittlerweile zur Erklärung für Freiheit. Täglich stehen Leute im Stau, aber wenn ein paar junge Menschen auf den Grund für jenes Problem hinweisen, ist es eine Einschränkung der Freiheit. Es ist die eigene persönliche Freiheit mit 200kmh über die Autobahn zu rasen, egal welche Giftstoffe dabei in die Umwelt geblasen wird. Fleisch essen ist genauso ein Stück Freiheit, wie zu Silvester die Luft zu verpesten und Menschen zu verletzen. Dabei befinden wir uns in einer Spirale der Verstärkung aus der es kein Abrüsten zu geben scheint. Selbst durch gendergerechte Sprache alle Menschen gleichzeitig anzusprechen, wird plötzlich zu einem Freiheitskampf der Ewiggestrigen hochstilisiert.

Ich bin ehrlich: seit mehreren Wochen ist meine Belastungsgrenze weitestgehend erreicht. Für meine Kund:innen bin ich gerne da. Da rufe ich meine Leistung ab – dafür werde ich schließlich bezahlt. Dabei Spaß zu haben, ist eine sehr angenehme Seite meines Daseins. Danke an alle, die mich weiterhin mit Arbeit versehen.

Darüberhinaus freue ich mich über einen erkenntnisgewinnenden Austausch in meiner Meinungsbubble. Aber auf Menschen, die Freiheit brüllen und Egoismus meinen, habe ich keinen Bock mehr. Wenn ich nach einigen Sätzen merke, dass mein Gegenüber nicht bereit ist, sein eigenes Tun zu hinterfragen, wende ich mich ab. Ich habe dafür keine Kraft mehr. Wer Fakten gegenüber “kritisch” ist, kann meistens aus 1 + 1 nicht die richtige Summe bilden. Auch wenn die Wirklichkeit natürlich viel komplexer ist als diese einfache Rechnung.

“Me-Time”

Ich muss mich aus diesen sinnlosen Diskussionen raushalten. Es dient meinem Selbsterhalt. Es wirkt eventuell etwas absurd, dass ich mich auf der einen Seite über die Menschen aufrege, die nur an sich denken, und dann selbst an mich denke. Der Unterschied ist, dass ich, wenn ich an mich denke, damit andere nicht in ihrer Freiheit einschränke. Diese “Me-Time” ist wichtig – zumindest für mich. Wie gehst du damit um?

Der deutsche Dichter und Journalist Matthias Claudius hat mal formuliert:

Die Freiheit besteht darin, dass man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet.

Vielleicht findet diese viele dutzend Jahre alte Weisheit doch noch mal ein paar Anhänger:innen mehr. Die Welt gehört schließlich nicht nur den Lauten. Die Leisen sind oft weiser.

Und was hat das jetzt alles mit der Überschrift zu tun? Frohes Neues Jahr wünscht man sich in Swahili – der am weitesten verbreitete Verkehrssprache Ostafrikas mit der ich bei meiner Reise mit Viva con Agua in Uganda Kontakt hatte – mit der Formulierung “Heri ya mwaka mpya”. Übersetzt heißt das soviel wie “mit neuen Flügeln gesegnet”. Mag ich sehr.

Wünsche dir, dass du mit neuen Flügeln die Herausforderungen in 2023 vogelleicht bewältigst.

Auf meinem Neujahrsspaziergang gesehen und fotografiert. Docklands mal etwas anders dargestellt.
  1. Danke!
    Spricht mir gerade heute, am 2. Januar 2023, voll aus der Seele.
    Wenn wir von Freiheit reden, sollten wir in Richtung Ukraine und Iran schauen.
    Und erkennen, wie gut es uns doch geht.
    LG

  2. Hallo Richtung Norden,

    … könnte ich f a s t 1:1 übernehmen!

    Es war für mich mal wieder wohltuend einen Menschen wahrzunehmen, der irgendwie auch als “Leiser”
    offensichtlich andere erreicht. Ich habe übrigens den Artikel gerade noch meiner Frau vorgelesen
    die ähnlichen “Eigenschutz” betreibt…

    Ansonsten schlägt mir Google bei der Suche im fotografischen Bereich mit aller Regelmäßigkeit deine
    Seite vor, die ich daher sowieso schon lange als Lesezeichen abgespeichert habe – für mich ein
    Zeichen, dass wir möglicherweise auch dieser Richtung nicht weit auseinander liegen.

    Freue mich schon auf’s nächste Stöbern

    VG

    Wolfgang

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