Bučovice Blind Football Cup 2015

Serdi trifft gegen Buki
Serdi trifft im kleinen Finale gegen Brno zum 1:0

„Wo bist du, Paul?“ ruft Michael. Nachdem er ein kurzes „Hier“ hört, spielt er den Ball massgeschneidert in Pauls Füsse. Paul läuft ein paar dynamische Schritte Richtung gegnerisches Tor, zieht drei Gegenspieler auf sich und passt zum optimalen Zeitpunkt auf den rechten Flügel zum nun freistehenden Serdi. Der muss nur kurz stehen bleiben. Der Ball kommt direkt an seinen Füssen zum Stehen. Hinterm Tor ruft Rolf „sechs Meter“. Serdi weiß was zu tun ist. Er folgt Rolfs Stimme und knallt den Ball nach wenigen Schritten ins lange Eck. 1:0. Es läuft das kleine Finale vom Bučovice Blind Football Cup 2015. Ich bin endgültig beeindruckt von der spielerischen Qualität meiner Truppe in braun und weiß. Was sich so leicht liest, ist ein Ergebnis jahrelangem Trainings und gegenseitigem Vertrauens. Die auf dem Spielfeld stehenden Spieler sehen während der beschriebenen Aktion nämlich nichts.

Hinter dem auf den ersten Blick etwas sperrigen Titel „Bučovice Blind Football Cup 2015“ versteckt sich ein wunderbares Turnierwochende mit Blindenfussballern aus der ganzen Welt. Acht Teams aus Deutschland, Belgien, Irland, England, Griechenland, Brasilien und Tschechien kämpfen um einen Pokal, den die meisten Teammitglieder nie sehen werden.

Auf Blindenfussball bin ich neugierig geworden, nachdem mir „Frodo“ vom Übersteiger berichtete, wie es ihm ging, mit verbundenen Augen Fussball zu spielen. Vor anderthalb Jahren war ich dann beim Hallenmasters mit meiner Kamera und gleich begeistert. Von allen körperlichen Einschränkungen ist der Verlust des Augenlichtes für mich das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Immerhin wäre damit auch meine Möglichkeit zu fotografieren ziemlich eingeschränkt und das mache ich nun wirklich zu gerne. Übrigens mag ich den Begriff der „Behinderung“ nicht so sehr. Gehe einfach mal mit einem Blinden nachts durch einen dunklen Wald: ich will dann von dir gerne noch mal hören, wer da eigentlich der „Behinderte“ ist.

Blind Fussball zu spielen ist für viele sicherlich nicht vorstellbar. Deswegen rechts ein sehr kurzes Video, das ich schnell mit meiner Kamera im Finale aufgenommen habe. Es zeigt das zwischenzeitliche 2:0 durch den Brasilianer Jefinho, der auch schon zweifacher Olympiasieger ist. Er hat das Fussballspielen erst gelernt als er schon blind war. Die Brasilianer sind im Blindenfussball das Maß aller Dinge.

Mir ist kein Sport bekannt, bei dem die Inklusion größer sein könnte. Jung und Alt, Männer und Frauen, Sehende und Nicht-Sehende spielen zusammen in einem Team, alle sind aufeinander angewiesen. Dadurch entsteht ein Spirit, der auch teamübergreifend zu einem sehr schönen Miteinander führt. Das ist an diesem Wochenende in dem kleinen, eine halbe Autostunde von Brünn entfernten tschechischen Städtchen Bučovice mit jedem Atemzug zu spüren. Eine große Familie trifft sich mal wieder. Neuankömmlinge werden herzlich in ihre Mitte genommen. So auch ich.

Ich hatte das Vergnügen die Blindenfussballer vom FC St. Pauli zum Bučovice Blind Football Cup begleiten zu dürfen. Ich danke euch für die offenen Arme, mit denen ich jederzeit empfangen wurde, auch wenn ihr von meiner Arbeit nichts habt. „Ich habe gehört, du machst tolle Bilder. Leider kann ich die nicht sehen.“ Ein Satz, den ich so des öfteren hörte. Daher schwingt in meinem Bericht auch viel Wehmut mit. Ausgerechnet die Leute, die diesen Sport so unglaublich machen, können meine Bilder von ihren tollen Aktionen nicht sehen. Ausgerechnet die Leute, denen ich gerne mit meiner Arbeit etwas zurück geben würde, was sie mir gegeben haben, können mit meiner Arbeit gar nichts anfangen. Ich bin derzeit sehr ratlos, wie ich diesen Konflikt auflösen kann. Eine Audiodeskription würde zwar den Inhalt des Bildes beschreiben, aber ob das dann ein gutes Bild ist, ist vermutlich immer noch sehr schwer zu entscheiden. Das sorgt ja schon bei Sehenden für Diskussionen.

Hier jedenfalls eine kleine Auswahl von den gut 800 Bildern die ich an dem Wochenende gemacht habe…

Das Turnier gewonnen hat erneut die Mannschaft aus Bahia in Brasilien. Das war zu erwarten. Das hervorragende Abschneiden der St. Paulianer war so nicht zu erwarten. Nur dem Team von Bahia mussten sie sich im Halbfinale geschlagen geben. Als einzige Mannschaft neben Bahia haben sie gegen die Griechen getroffen und konnten die späteren Zweitplatzierten ein Unentschieden abringen. Der Spieler vom FC St. Pauli Rasmus wurde völlig verdient zum besten Verteidiger des Turniers gewählt. Einen Bericht über die sportliche Seite des Turniers findest du auch auf der offiziellen Homepage vom FC St. Pauli.

Da ich das Team in braun und weiß nun seit rund zwei Jahren verfolge, sehe ich eine starke Entwicklung. Teilweise standen ausschließlich Minderjährige auf dem Platz. Da ist noch viel Potenzial und ich hoffe, der Blindenfussball findet in Hamburg noch viele weitere Anhänger. Du solltest dir schon mal das letzte September Wochenende im Kalender markieren: da findet wieder das Hallenmasters in Hamburg statt. Es lohnt sich diesen tollen Sport und diese wunderbaren Menschen zu erleben. Sie erhellen dein Leben bestimmt genauso wie sie es mit meinem gemacht haben…