Available Light und seine Tücken

Manche Leute wissen gar nicht, dass sie an ihrer digitalen Spiegelreflexkamera den Weißabgleich verstellen können. Die Automatik der Kamera bringt in vielen Fällen ausgewogene Farben und so findet sich keine offensichtliche Notwendigkeit der Automatik nicht zu vertrauen. Es gibt aber Lichtsituationen, in denen die Automatik hoffnungslos überfordert ist.Bei available light zu fotografieren bedeutet, nur das vorhandene Licht zu nutzen. Hierbei gibt es eine Kleinigkeit, die das unter Umständen sehr schwierig machen kann: die korrekte Farbtemperatur. Jedes Licht, dass den Sensor der Kamera trifft, hat eine bestimmte Temperatur, die in Kelvin angegeben wird. Für das menschliche Auge sind die Unterschiede unsichtbar, aber der Kamerachip – oder früher der Farbfilm – nehmen die unterschiedlichen Kelvinwerte sehr genau wahr. Dieser Artikel zeigt an einem einfachen Beispiel die dabei entstehenden Tücken.

Nehmen wir an, wir möchten einen Menschen abends in der U-Bahn fotografieren. Eigentlich kein Problem: ISO-Zahl hochdrehen damit die Belichtungszeit kurz genug wird und abdrücken.
Bitte nicht auf die Qualität und nicht vorhandene Aussage des Bildes achten. Vielen Dank an meinen guten Freund Johannes, dass er sich für diese Testbilder zur Verfügung gestellt hat.

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Jedenfalls sind die Farben grausam. Obwohl der Weißabgleich auf Kunstlicht stand wird alles gelbstichig dargestellt. Offensichtlich sind die Lampen in der U-Bahn andere Leuchtstoffröhren als üblich. Na, egal: ich habe ja in RAW fotografiert und da kann ich den Weißabgleich sehr leicht nachträglich am PC korrigieren.

Nur einen Klick (der kleine Zipfel des Rucksacks unten rechts im Bild eignet sich prima für den nachträglichen Weißabgleich, denn der Rucksack ist grau) später sieht das Bild so aus:

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Immer noch nicht richtig hübsch, aber der Unterschied ist – denke ich – deutlich zu sehen. Die Farben sehen schon viel besser aus und mit etwas mehr Mühe, könnten wir noch mehr aus dem Bild holen. Aber darum geht es ja gar nicht. Ich wollte hier bewusst nichts weiter am Bild ändern außer der Farbtemperatur. Der Unterschied ist schon gewaltig, nicht wahr?

Bis jetzt alles kein Problem, denn das komplette Bild enthält Licht von Lichtquellen einer Farbtemperatur. Nun kommen die Tücken ins Spiel. Nehmen wir an, uns gefällt dieser Blickwinkel nicht. Wir möchten lieber, dass der Mensch nach draußen aus dem Fenster schaut.

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Eine ganz ähnliche Lichtsituation wie auf dem ersten Bild – mit einem entscheidenden Unterschied: es kommt nicht nur Licht vom Inneren der Bahn, sondern auch von außen von der Beleuchtung der Haltestelle. Und diese beiden Lichtquellen haben unterschiedliche Farbtemperaturen.
Man kann bei diesem out-of-the-cam Bild das Desaster schon erahnen, denn das Haltestellenschild draußen zeigt richtige Farben, nur der Teil der das Innere der Bahn zeigt ist genauso farbfalsch wie auf dem ersten Bild – kein Wunder, denn der Weißabgleich ist immer noch genauso eingestellt wie beim ersten Bild. Und genauso offensichtlich wird nun, dass die Lichtquelle draußen an der Haltestelle der Farbtemperatur für die Weißabgleichseinstellung “Kunstlicht” entspricht.

Nun passen wir die Temperatur des Bildes exakt so an, wie beim zweiten Bild. Das ist ein logischer Schritt, denn das Licht im Inneren ist ja immer noch das gleiche wie beim ersten und zweiten Bild. Das Bild sieht dann so aus.

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Hier wird das Grauen nun vollends sichtbar. Durch die Anpassung der Farbtemperatur stimmen die Farben im Inneren der Bahn wieder (wie gesagt, das Gesicht könnte etwas mehr Licht vertragen, aber darauf kommt es hier nicht an.). Aber draußen ist nun alles total blaustichig. Digitalkameras können eben Farbtemperaturunterschiede wahrnehmen, die wir als Menschen automatisch ausgleichen bzw. gar nicht wahrnehmen.
Übrigens hätte es bei diesem Bild nichts geholfen die Automatik der Kamera in Sachen Weißabgleich zu bemühen, denn die hätte einfach nur einen Mittelwert genommen und deswegen ebenfalls die Farben falsch dargestellt. Auch der Einsatz einer Graukarte hätte hier nicht geholfen.

Nun hilft nur noch die elektronische Bildbearbeitung mittels Photoshop, Lightzone oder ähnlichen Programmen, die es uns ermöglichen unterschiedliche Farbtemperaturen auf bestimmte Bildbereiche anzuwenden. So könnten wir dann zu dem Endergebnis kommen:

Unterschiedliche Farbtemperaturen

Natürlich ist das immer noch nur ein Schnappschuss – ich wollte nur mal die Klippen bezüglich unterschiedlicher Lichtquellen beim Fotografieren mit “available light” darstellen, die es zu umschiffen gilt. Das menschliche Auge ist nämlich auf Hauttöne besonders trainiert und nimmt Ungereimtheiten sofort wahr. Und da dieses Bild mit einer Brennweite aufgenommen wurde, das der Sehweise des Menschen relativ nahe kommt, fallen falsche Farben noch stärker auf.

In diesem Sinne: immer gut Licht 🙂

  1. Insgesamt eine sehr schöne Demonstration dessen, wozu der Weißabgleich da ist und was er ausmacht.
    Was mir als Anfänger fehlt wären zwei Dinge:
    1) Wie weit in welche Richtung wurde hier korrigiert (um so ein Gefühl zu bekommen)
    2) Wie gehts mit welchen Tools (Da gibts natürlich viele andere Quellen)

  2. Danke, Manderla!

    Für ein Gefühl kann ich Dir empfehlen einfach mal beim RAW-Konverter Deiner Wahl den Farbtemperaturregler hin und her zu schieben. Bei den Programmen die ich kenne, ändert sich die Farbtemperatur sofort und man bekommt einen direkten Blick für die Zusammenhänge. Ansonsten: Monitor kalibirieren und so lange rumspielen, bis es gut aussieht 😉

  3. Interessanter Blogpost! Ich bin überrascht, wie unterschiedlich die Bilder nach Anpassung des Weissabgleichs wirken. Vor allem beim letzten Bild finde ich es erstaunlich, wieviel man durch unterschiedliche Weissabgleiche in verschiedenen Zonen rausholen kann.
    Danke für diesen Blogpost!

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