Vor längerer Zeit schrieb ich hier einen Blogpost zu den unterschiedlichen RAW-Konvertern, der immer noch sehr oft aufgerufen wird. Vermutlich auch deswegen bekomme ich regelmäßig eMails mit Fragen zu diesen RAW-Konvertern. Damit ich nicht immer alles neu aufschreiben muss, dachte ich mir, ich mache mal ein Update. Schließlich gibt es mittlerweile Adobe Lightroom 6 (auch CC genannt) und Capture One in der Version 8.3, dafür hat Apple Aperture aus dem Programm genommen. Da ich fast nur mit den beiden erstgenannten Konvertern arbeite, will ich mich darauf beschränken. Und um es gleich vorweg zu nehmen: es gibt zwar einen klaren Favoriten für mich persönlich, aber auch der hat seine Macken. Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann wäre es eine Kombination aus eben diesen beiden RAW-Konvertern.
Capture One ist mein Lieblingskonverter und das sind die Gründe dafür:
Die Möglichkeiten auf Farben Einfluss zu nehmen, sind bei Capture One wirklich unfassbar vielseitig. Ich gebe gerne zu, dass mich das am Anfang selbst verwirrt hat. Wenn du aber mal durch die Schieber und Regler durchgestiegen bist, wirst du die Vielzahl der Optionen lieben. Gerade in schwierigen Lichtsituationen ist Capture One klar im Vorteil. Ich weiß gar nicht, wie oft mir der Weißabgleich auf die Haut den Workflow extrem beschleunigt hat, wenn bei schicken Event schickes Effektlicht gesetzt war.
Ähnlich wie in Lightroom kann ich mit der Pipette einzelne Farbtöne auswählen und in ihrer Farbigkeit, Sättigung und Helligkeit manipulieren. Der Unterschied ist, dass ich deutlich leichter Farbbereiche auswählen kann und dabei exakt kontrollieren kann, welche Farben ich gerade bearbeite. Die Tools in Capture One sind einfach feiner justierbar.
Ich habe hier mal ein Beispielbild mit beiden RAW-Konvertern bearbeitet. Dabei handelt es sich um ein eingescanntes Farbnegativ, dass farblich komplett daneben lag. Es ist auch wirklich unsinnig mit einem Tageslichtfilm nachts grünliches Flutlicht fotografieren zu wollen…
Ich vergleiche die beiden RAW Konverter gerne mit Werkzeugen: während Capture One mit der Ziselierhammer arbeitet, nutze ich bei Lightroom den Vorschlaghammer.
Wusstest Du, dass Capture One einen nach unten hin deutlich größeren Spielraum beim Weißabgleich hat? Während dieser bei Lightroom bis 2000 Kelvin geht, klappt bei Capture One 800 K. Gerade bei Fotos in romantischen Kerzenschein ist das ein echter Mehrwert.
Mir gefällt auch das Bedienkonzept besser. Zu den Bildbearbeitungsmöglichkeiten kann ich häufig verwendete Einstellungen abspeichern. Das geht natürlich auch bei Lightroom über die Presets, aber bei Capture One sind die persönlichen Vorlieben direkt bei den Tools angeheftet und ich muss nicht immer auf die andere Bildschirmseite mit der Maus wandern, um das passende Preset zu finden.
Dazu sind viele Automatismen wirklich gut in C1 gelöst. Zum Beispiel ist die Rauschunterdrückung so voreingestellt, dass ein manuelles Justieren in sehr vielen Fällen unnötig ist. Capture One liest den verwendeten ISO Wert aus der Bilddatei aus und legt eine Rauschunterdrückung an, die in sehr vielen Fällen gut funktioniert. Auch die Moiré-Unterdrückung funktioniert automatisiert besser als mit dem entsprechenden Werkzeug in Lightroom. Trotzdem kann ich mit dem Pinsel in Capture One nacharbeiten. Überhaupt sind nahezu alle Einstellungen auch als lokale Anpassungen über den Pinsel möglich. Das klappt in beiden Programmen, aber in Capture One einfach besser. Ich kann bis auf die Weichzeichnung (die ich eh für fragwürdig halte) alle Steps einer Portraitretusche in Capture One vornehmen, inklusive Dodge & Burn. Wie gesagt, das klappt auch in Lightroom, aber nicht ganz so übergangslos. Irgendeinen Grund für Photoshop möchte Adobe vermutlich noch vorhanden wissen.
Absolutes Highlight ist der Klarheiten Regler, der in Lightroom viel schneller zu „Lichthöfen“ sorgt als in Capture One. Wer oft Fellstrukturen fotografiert hat darüber hinaus in Capture One einen Regler „Struktur“, der diese auf wunderbare Art hervorhebt.
Übrigens ist der Im- und Export bei Capture One schneller, auch die Erstellung der Vorschaubilder geht hier schneller vonstatten. Die Veränderungen der Regler sind hingegen in Lightroom etwas flotter zu sehen.
Kurz: die Bearbeitung in Capture One überzeugt mich durch die irren Feineinstellungsmöglichkeiten. Das Ergebnis ist in der Regel besser als in Lightroom. Leider ist es sehr schwierig diese Vorteile auf Bilder im Web sichtbar zu machen. Heruntergerechnet und komprimiert gleichen sich die Ergebnisse zwischen Lightroom und Capture One naturgemäß an.
Es gibt aber auch Dinge, die Lightroom einfach besser kann:
Während Capture One nur Katalogisierung und Bildbearbeitung beinhaltet, kann Lightroom natürlich noch viel mehr: Buchdruck, Webgalerie, etc. Ich muss auf diese Zusatzfunktionen allerdings gar nicht eingehen, denn auch bei den grundsätzlichen Funktionen kann Lightroom punkten. So ist der Reparaturpinsel in Lightroom deutlich schneller und leichter zu verwenden. Auch die Möglichkeit in Lightroom die Schärfe sehr exakt einzustellen, fehlt leider in Capture One. Für die Rauschunterdrückung gilt ähnliches. Immer dann, wenn der automatische Algorithmus in Capture One nicht hundertprozentig funktioniert, hat Lightroom die Nase vorne. Auch die Gradationskurve ist durch die Einteilung in Regionen schöner und gleichmäßiger manuell anpassbar, als bei Capture One.
Auch die Objektivkorrekturen sind in Lightroom eine feine Sache, so was gibt es in Capture One nicht. Tatsächlich brauche ich diese Funktion für meine Leica Objektive allerdings nicht und daher fällt mir das Fehlen dieser Korrekturen in C1 auch nicht auf. Auch das Korrigieren schief fotografierter Objekte ist in Lightroom toll gelöst. Hier ist in Capture One manuelles Eingreifen notwendig.
Das Arbeiten mit Katalogen funktioniert übrigens in beiden Programmen sehr ähnlich. Da wird jeder seine Vorlieben haben. Ich arbeiten bei beiden RAW-Konvertern so, dass ich die Bilder nicht in Katalogen importiere, sondern in Unterordnern kopiere. Meine Vorauswahl der Bilder mache ich nämlich nicht in einem der beiden Programme, die beide dafür viel zu langsam sind. Meine Vorauswahl treffe ich mit PhotoMechanic und importiere dann nur die „Keeper“. Durch das Kopieren der Bilder habe ich identische Ordnerstrukturen auf unterschiedlichen Laufwerken: eine mit den Originalen und eine mit Originalen und den Bearbeitungen. Nenn mich ruhig paranoid, aber ich habe auch noch nie eine Bilddatei verloren.
tl;dr: Du siehst, dass ich auch durchaus mit Lightroom als RAW Konverter leben könnte, aber Capture One ist mir einfach der liebere und überzeugt mich durch die Bildqualität.
Auf Grund der unterschiedlichen Stärken der Programme, bearbeite ich meine analog eingescannten Schwarz-Weiß-Bilder gerne mit Lightroom, alles andere mit Capture One. Obiges Bild ist übrigens mit Lightroom und dem neuen VSCO7 bearbeitet.
Zum Schluss noch der Hinweis auf eine Vielzahl von guten (englischsprachigen) Tutorials zu Capture One, die den Einstieg ins Programm leichter machen.