Essohäuser – der Film

Jedes Jahr im Sommer gibt es mittlerweile die schöne Tradition, dass im Millerntor auf der Südtribüne das 3001 ein Open-Air-Kino organisiert. Gestern starteten die wegen der WM sehr kurzen, aber umso interessanteren Filmnächte. Das volle Programm findest du hier.

Zum Start gab es den Rohschnitt einer Dokumentation rund um die Essohäuser auf der Reeperbahn zu sehen. Der Abriss dieser Häuser ist aktuell sicherlich eins der einschneidensten Ereignisse der Bewohner auf St. Pauli. Umso bemerkenswerter, dass viele hundert Menschen kamen, um einen Streifen ohne Happy End zu sehen.

Die Köpfe hinter dem Film haben mit „Empire St. Pauli“ schon eine andere ergreifende Dokumentation über den Umbau des Viertels verantwortet. Da Filmerstellung immer Geld kostet, freuen sich die Macher auch über Spenden. Wer die geringen technischen Mittel sieht, mit denen einige Szenen eingefangen wurden, weiß, dass das Geld gut angelegt ist. Aber nicht nur deswegen…

Im Film kommen hauptsächlich die Bewohner zu Wort. Eindrucksvoll werden zunächst die wundervoll und liebenswert eingerichteten Wohnungen gezeigt. Menschen erzählen von zum Teil über 50 Jahren auf der Reeperbahn.

Im Laufe des Film wird dann deutlich, dass Politik nur noch für die Leute gemacht wird, die Geld haben. Bei den bundespolitischen Themen wie beispielsweise TTIP ist das schon schlimm genug, aber sehr abstrakt. Auf Bezirksebene in Hamburg wird diese Vorgehensweise direkt spürbar. Besonders beschämend wird das durch die Szenen mit Bezirksamtsleiter Andy Grote. Durch dessen Unfähigkeit alternative Gestaltungsmöglichkeiten auch nur anzudenken, wirkt er als Erfüllungsgehilfe der Bayrischen RaubHausbau. Verstärkt wird der Eindruck durch Grotes fehlende Fähigkeit, Empathie mit den Bewohnern der Essohäuser zu zeigen.

Glücklicherweise zeigt der Film anhand eines Beispiels in Paris, dass dies so nicht sein muss. Es kann durchaus Alternativen zum Abriss geben. Das geht allerdings auf Kosten des Mietzins. Warum allerdings die Bayrische Hausbau nach ihrer Bauplanung, den Kaufpreis schon nach einem Jahr durch den Mietzins wieder einnehmen können soll, erschließt sich nur herzlosen Investoren.

Im Hinterkopf sollte der Betrachter des Films auch haben, dass die Stadt von den auf St. Pauli ansässigen Gewerbetreibenden in den nächsten Jahren recht hohe Summen kassiert, um „die Reeperbahn wieder zu beleben“. Die ersten Anzeichen was die Stadt Hamburg unter „beleben“ versteht, machen meiner Meinung nach deutlich, das der Kiez das nächste rundgelutsche Glasfassadenviertel der Stadt werden soll. Gerade das Individuelle und das Kleinteilige haben den Kiez in den letzten Jahren ausgemacht. Oder wie es eine der Ex-Essohäuser-Bewohnerinnen so treffend formulierte: „Was will denn der Gosch hier? Der soll doch auf Sylt bleiben!“

Fast nichts mehr zu sehen von den Essohäusern
Fast nichts mehr zu sehen von den Essohäusern

Natürlich ist nichts abzulehnen, nur weil etwas neu ist. Genauso, wie nicht alles, was alt ist, erhaltenswert ist. Trotzdem sollten die Menschen in der Entwicklung mitgenommen werden, gefragt werden, beteiligt werden. Es ist eine der hauptsächlichen Aufgaben der Politik, für die Menschen da zu sein. Nicht allein für das Kapital. Zumindest in der Demokratie…

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