still loving analog

Ich habe keine Ahnung, wie es dazu kommen konnte! Aber aus einer fixen Idee, die ich noch vor wenigen Wochen weit von mir gewiesen hätte, ist eine neue Liebe entstanden.

Jetzt mal im Ernst: ich habe meine Kindheit und Jugend in der Dunkelkammer verbracht. Meine Finger stanken permanent nach Fixierbad und im Kühlschrank lagerte ein 50er Pack Film. Später lag im Gefrierfach eine Rolle Farbpapier. Vor 10 Jahren habe ich alle Utensilien verkauft. Analog war für mich gestorben. Vorbei. Egal, wie groß der Hipster-Hype in den letzten Jahren war.

Tja und dann dachte ich irgendwann Ende 2014 noch mal nach und legte einen Film ein meine FM2. Funktionierte. Nur mit der Nikon kam ich nicht mehr klar. Leica ist für mich der konsequentere Weg beim manuellen Fokussieren. Also kaufte ich eine M6. Aber das ist auch eine andere Geschichte.

Es gibt nicht nur einen Grund für meine 180° Wendung. Ich habe mir aber mal überlegt, wie viel Geld ich für VSCO und Derivate ausgegeben habe. Wie viel Zeit ich damit verbringe, den perfekten digitalen Files etwas Leben in der Nachbearbeitung einzuhauchen. Und wie viel geiler es ist, vor dem Fotografieren sich seine Gedanken über Blende und Belichtungszeit zu machen, als hinterher einfach auf’s Display zu schauen und seine Werte anzupassen.

Dank der vielen hilfreichen Tipps von meinem langjährigen fotografischen Weggefährten Marco kam ich sehr schnell wieder in die analoge Welt rein.

Vorletzten Sonntag nutzen wir die bisher einzigen Sonnenstunden des Jahres 2015 in Hamburg für einen gemeinsamen Fotowalk. Ein Ergebnis habe ich dir ja schon gezeigt. Gleich zu Beginn des gemeinsamen fotografischen Spaziergangs habe ich eine meiner durchaus typischen Gegenlichtaufnahmen gemacht. Einfach mal volle Lotte in die Sonne halten und schauen was passiert. Kein Pulitzerpreis-verdächtiges Bild, aber ich finde, es strahlt eine wunderbare Atmosphäre aus. All diese Lichteinschlüsse zwischen den Grashalmen – herrlich. Du siehst es oben.

Da ich mir mit der Belichtungszeit beim Verwenden eines 6-fach ND Filters unsicher war, habe ich sicherheitshalber das Foto auch noch mal digital gemacht. Und hinterher versucht, es so aussehen zu lassen, wie mit dem verwendeten Film. Hier das Vergleichsbild.

Gräser vor Sonne digital fotografiert

Nach meiner bescheidenen Meinung kommt das nicht mal ansatzweise an den Charm des Filmbildes heran.

Was mich bei meinem Experiment ebenfalls überzeugt hat, ist die Abbildung der Details vom Film. Ich habe obiges Bild, das übrigens mit einem Ilford Delta 400 entstand, kürzlich auf Din A3 Bambuspapier von Hahnemühle gedruckt und dann mit einem leichten Makro abfotografiert. Ich finde, das ist aller Ehren Wert. So nah gehst du vermutlich nie an ein Din A3 Bild heran.

Bild gedruckt und ein Ausschnitt mit einer 1:4 Vergrößerung abfotografiert

Worauf will ich nun eigentlich mit diesem Blogpost raus? Erstens ist es ganz gut seine eigenen antiquarischen Entscheidungen mal zu hinterfragen aka was interessiert mich mein Geschwätz von gestern 🙂 Zweitens: ich glaube, ich habe mich neu verliebt. Keine Software der Welt kann emulieren, wie Film auf Licht reagiert. Zwischen der digitalen 0 und 1 existiert eben nichts, zwischen hell und dunkel existiert bei analogem Film eine ganze Welt!

  1. “Und wie viel geiler es ist, vor dem Fotografieren sich seine Gedanken über Blende und Belichtungszeit zu machen, als hinterher einfach auf’s Display zu schauen und seine Werte anzupassen.”

    jetzt hab ich auch wieder bock auf kleinbild 🙂

  2. Das lese ich gerne – nicht nur wegen des Adenauer-Zitats :-). Ich selbst bin da gerade hin- und hergerissen: ich mag analoges Fotografieren sehr, wie man vielleicht auch im Blog rausliest. Habe als Vorsatz für 2015 aber: mehr digital, weil schneller, einfacher & günstiger. Ricoh GR anstatt Ricoh GR1v. Für meine Spontanportraits keine Contax T3 mehr sondern die “aufdringlich große” M9. Naja, im Moment sieht alles so aus als würde ich bald eine M6 an mein Summicron 35 hängen, so viel zu den guten Vorsätzen ;-).

  3. Ich selbst lege auch seit einigen Jahren gerne wieder Filme ein, aus ähnlichen Gründen die du hier nennst. Deine wiederkehrende Liebe zu Analog finde ich toll, da ich mich an einen Post von dir erinnern kann, in dem Du sinngemäß schreibst..”wozu heutzutage noch Analog fotografieren”.

  4. Ich kaufte mir letzte Woche ebenfalls eine Mamiya 645 Pro um eigenen Portraitideen endlich wieder analog zu machen. Ja auch die jungen Leute sind mit Dunkelkammern aufgewachsen! (Einem Reporter-Vater sei Dank. :D)

  5. Ein wirklich eindrucksvoller Beitrag zur klassischen SW-Photographie!
    Seit kurzem habe ich meine Leica M6 TTL wiederbelebt und sie mit einem Tri-X geladen . Meine Frage zur Digitalisierung: per Scanner oder über Repro mit DSLR + guter Makro-Optik? Welches Verfahren bevorzugst Du?

    1. Freut mich, dass dir der Test gefällt. Viel Spaß mit deiner M6.
      Ich scanne. Kleinbildnegative sind auch mit guten Makro-Lösungen kaum richtig gut zu digitalisieren.

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