Ein echtes Freundschaftsspiel

Am Freitag war echt was los am Millerntor. Eine Woche vor dem Ligastart war die Vorfreude auf echten Fussball im weiten Fussballrund gut zu spüren. Bei Testspielen ist das eigentlich nie der Fall. Die fehlende Wettkampfatmosphäre legt normalerweise auch einen dämpfenden Schleier auf die Kehlen der Fussballfans. Nicht am Freitag. Zu Gast bei diesem aus fussballerischer Sicht bedeutungslosem Test war niemand geringeres als Besiktas Istanbul – mehrfacher türkischer Meister. Aber das spielte bei dem Freundschaftsspiel am Millerntor eh keine große Rolle.

Wichtig war bei diesem Freundschaftsspiel das Zwischenmenschliche: afrikanische Flüchtlinge berichteten vor den Fanräumen von ihren Erlebnissen und eine Fantrennung zwischen Besiktas und Sankt Pauli Fans gab es nicht wirklich. Allerdings nutzen die lautstarken Besiktas Anhänger die gute Akustik in der Nord aus – vor allem die Carsi, die “Ultra Besiktas”. Eine Fangruppierung, die auch bei den aktuellen Auseinandersetzungen rund um den Gezi Park durchaus aktiv geworden sind. Daher hagelte es an allen möglichen Ecken, Sympathiebekundungen im Stadion.

Ich hatte das Glück mich am Spielfeldrand mit einem Fotografen unterhalten zu können, der auch im Gezi Park fotografisch gewirkt hat. Der konnte mir nicht nur etwas mehr über die unterschiedlichen Gruppierungen auf der Nord berichten und damit eine Vermutung äußern, warum es in der ersten Hälfte mal kurz zu Rangeleien unter den Besiktas Fans kam. Es ist durchaus nachvollziehbar, dass eine solch angespannte politische Lage wie bei den Vorkommnissen am Gezi Park von unterschiedlichen politischen Strömungen versucht wird zu nutzen, um für sich Vorteile zu erreichen. Und das muss nicht bei allen auf Fürsprache treffen …

Eben jener Fotograf berichtete mir auch, dass er gerade eine Hamburger Zeitung verklagt, weil sie seinen Bericht und Fotos vom Gezi Park gedruckt, aber komplett verkehrt widergegeben haben. Das erlebe ich in Hamburg gefühlt sowieso relativ oft, dass die Realität nicht unbedingt was, mit den journalistischen Ergüssen bestimmter Redaktionen zu tun hat. Umso erfreulicher, wenn Berichte in Zeitungen hinterfragt werden und einzelne sich gegen falsche Berichterstattung wehren.

Du siehst also: es war ein durch und durch politischer Abend. Deswegen gibt es auf meinen Bildern auch kaum Fussball zu sehen. Übrigens: im Titelbild ist ein alter Sankt Paulianer und ein frischer Spieler vom FC St. Pauli zu sehen.

Übrigens habe ich meine interne Wette gewonnen, dass Pyrotechnik zum Einsatz kommt. Ich stand auch gerade direkt vor der Nord, als es mit Bengalos und Böllern los ging. Erst kürzlich war ich ja bei einem Spiel in Portugal und daher hat mich die Licht- und Geräuschkulisse nicht wirklich überrascht. Allerdings gestehe ich, dass ich Böllern nichts abgewinnen kann – nicht nur, weil meine Ohren noch Stunden nach dem Spiel klingelten, sondern auch, weil ein Ordner direkt an mir vorbei getragen wurde, um am Spielfeldrand außerhalb des Rauchs ärztlich behandelt zu werden. Gute Besserung an dieser Stelle! Ach ja: ich habe zwar wahrgenommen, dass es eine Durchsage der deutsch- und türkischsprachigen Stadionsprecher gab, aber akustisch verstanden habe ich die nicht – obwohl die großformatigen Lautsprecher recht dicht neben mir standen. Was ist davon wohl bei den zündenden Fans angekommen?

Und eine Frage habe ich noch: ist ein angezogener Flitzer eigentlich ein echter Flitzer? Ich denke schon, denn der letzte Flitzer am Millerntor war auch angezogen …

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